Das Leben der Frauen und Minnedienst
Willamus de Dorswilwre
Der Ritter wurde nicht nur von den Höfen und von der Kirche, sondern auch von den Frauen ausgezeichnet, was in der Kultur des Rittertums ein nicht zu unterschätzendes, ja dieses geradezu veredelndes Moment abgab. Dies Verhältnis darf jedoch nicht allzu romantisch aufgefasst werden. Auch die Ritterzeit hatte ihre Prosa und war nicht lauter Poesie. Auch die Damen jener Zeit schwebten nicht nur im Reich der Minne und der Dichtung, sondern hatten auch ihre hausbackene Bestimmung und Beschäftigung. Schon früh wurden die Töchter von den Müttern angeleitet, alles zu erlernen, was nach damaligen Ansichten zum Beruf einer tüchtigen Hausfrau erforderlich war, und das war in praktischer Beziehung mehr als heutzutage. Die Mädchen höherstehender Familien wurden wie die Söhne an den Hof gesandt, um feine Sitte, d. h. wohl Anstand und französische Sprache zu lernen; sie übten aber auch dort, wie die Frauen zu Hause, die häuslichen Arbeiten. Die Damen der Ritterzeit kannten alle weiblichen Arbeiten, verstanden aber wohl zu unterscheiden, welche von diesen sich für sie schickten und welche sie geziemender den Mägen zu überlassen hatten. Die Fertigung der Kleider für sich und für ihre männlichen Angehörigen, deren Verzierung mit Borten und Edelsteinen und das damals auf einen hohen Grad der Vollendung gestiegene Einsticken von Figuren aller Art war ihrer würdig, - das Spinnen und Weben beschränkte sich auf feinere Sachen und kirchliche Gegenstände, was die heilige Landgräfin Elisabeth von Thüringen aus Frömmigkeit und Demut so weit ausdehnte, Wolle und Kutten für Mönche zu spinnen und Kleider für ihre Mägde zu weben. Gewöhnliches Spinnen und Weben besorgte die Dienerschaft; aber auch die Töchter armer Ritter waren zu eigener Besorgung aller möglichen Arbeiten genötigt.
Die am Hofe anzueignende Anstandslehre für Mädchen wurde durch ein weitläufiges, ungeschriebenes, doch bisweilen dichterisch bearbeitetes Gesetz geregelt (in Frankreich: Le Chastiement des Dames, in Deutschland: Die Lehren der Winsbeckin). Wir heben daraus hervor, dass es für Damen als unschicklich galt, große Schritte zu machen, die Arme lebhaft zu bewegen, die Blicke zu erheben und umher zu werfen, die Kleider nachschleppen zu lassen, die Beine übereinander zu schlagen, einen Mann anzublicken oder zuerst anzureden, laut zu sprechen oder zu lachen, usw. Wie die jungen Männer in den Helden, so erblickten auch die jungen Damen in den Heldinnen der Rittergedichte ihre Vorbilder, denen sie ähnlich zu werden suchten.
Es wurde von den Damen jener Zeit auch Kenntnis der Pflege Kranker und Verwundeter verlangt, was bei dem Mangel an Ärzten und bei der Abgelegenheit der meisten Burgen höchst notwendig war. Sie verstanden sich auf das Verbinden, die heilsamen Kräuter, die Herstellung von Salben, Pflastern und verschiedenen Hausmitteln und auf die zweckmäßigste Krankenkost. Man sieht leicht, dass bei diesen Lehren und Beschäftigungen die poetische Unterhaltung nicht die Hauptsache sein konnte.
Auch die Achtung, welche die Damen genossen, hatte mehr Ausnahmen zu erleiden, als man glaubt. So wurden Töchter wie die Söhne von den Eltern geschlagen, wenn sie ungehorsam waren. Ja die heilige Elisabeth von Thüringen ließ sich von ihrem Beichtvater, dem Ketzerrichter Konrad von Marburg, blutig prügeln, um sich in der Selbstverleugnung zu üben, und wahrscheinlich war ihr früher Tod eine Folge der Behandlung dieses rohen Menschen, dem sein "Feuereifer" schließlich ihr Leben kostete. Dass Ehemänner ihre Frauen schlugen, war nichts seltenes; dagegen war es verpönt, dass Männer sich dies gegenüber Frauen erlaubten, die ihnen nicht untergeordnet waren. Übrigens bedachten sich auch Damen nicht, von schlagenden Argumenten gebrauch zu machen, namentlich gegen jüngere Verwandte, die ihnen widersprachen, oder gegen zudringliche Liebhaber.
Der Unterschied zwischen den Benennungen "Jungfrau" und "Frau" war ein anderer als heute. Er bezog sich nicht auf die Verheiratung, sondern auf das Alter. Junge Frauen hießen "jungfrau", ältere Jungfrauen, von denen es aber wohl wenige gab, "frau". Um die geschlechtliche Reinheit auszudrücken, nannte man die, welche sie noch besaßen, "maget", die verheirateten Frauen als solche "wîp".
Für die weibliche Schönheit war man sehr empfänglich. In den Dichterwerken der Ritterzeit sind die Helden und Heldinnen immer schön und die bösen Leute immer hässlich. Merkwürdiger Weise sind aber in den deutschen Heldengedichten und Minnegesängen die Schönen in echt germanischer Weise stets blond und zwar goldblond. Ihr Haar war außerdem glänzend und in natürliche Locken gekräuselt. Die Augenbrauen hingegen durften dunkel, sogar schwarz sein; auch war die Farbe der Augen nicht vorgeschrieben, doch sollten sie hell sein und leuchten. Das Ideal, dem die Heldinnen entsprachen und daher wohl auch die Auserkorenen der Dichter entsprechen sollten, verlangte ferner eine mäßig hohe Gestalt, eine weiße, glatte, rundliche Stirn, schneeweiße Schläfen, eine mäßig lange, gerade Nase, weiche, rosig angehauchte Wangen, einen kleinen Mund mit vollen roten Lippen, kleine, weiße und dicht gestellte Zähne, ein kleines rundliches Kinn mit Grübchen, kleine rundliche Ohren, mäßig langen und glatten Hals, eine feine, zarte Kehle, weißen Nacken, schmale, feingebildete Schultern, einen weißen vollen Busen, weiße und weiche Hände, lange, innen rosige Finger, glänzende, gut gepflegte Nägel, schmale, kleine und unten gewölbte Füße usw. So ziemlich das Gegenteil von all diesem wurde den bösartigen Menschen zugeschrieben; namentlich waren diese mit Vorliebe bucklig, dickköpfig und rothaarig.
Neben den Lobpreisungen der Schönheit nimmt sich aber der Mangel jener Zeit an sittlicher Stärke recht unvorteilhaft aus. Es gibt wohl wenig Tatsachen, welche den Ruhm einer angeblichen "guten alten Zeit" schärfer widerlegen, als die Literaturwerke der sogenannten Ritterzeit. Diese sind weit reicher an lüsternen Schilderungen und losen Abenteuern, als irgend eine andere Periode der Literaturgeschichte. Die Franzosen gehen hier voran und geben den Ton an; die Deutschen folgen ihnen zwar getreu nach, umgeben aber doch diese bedenklichen Geschichten mit einem Zauber der Poesie, der dem trockenen Reimchronikstil der westlichen Nachbarn fehlt. War auch kein Mangel an Dichtern, geistlichen und weltlichen, und gab es auch unter den Geistlichen nicht wenig Theologen und andere Gelehrte (besonders Chronisten), so hatten doch beide Stände in überwiegender Zahl viel zu wenig ernste Beschäftigung, um nicht Versuchungen ausgesetzt zu sein, die sie auf Abwege führten. Die Religion bestand in wenig mehr als Zeremoniendienst; die Geistlichen glaubten mit dessen Abwicklung, die Weltlichen mit dessen Befolgung ihre volle Pflicht getan zu haben. In beiden Ständen fehlte es daher an sittlichem Streben, das nur bei Ausnahmen vorhanden war; doch scheint das weibliche Geschlecht im Ganzen besser, und soweit es schlimm war, wie übrigens zu allen Zeiten, nur von den Männern verdorben gewesen zu sein. Leider gingen hierin die meisten Geistlichen mit schlimmem Beispiel voran und verführten Frauen und Mädchen durch Geschenke, so dass das Volk es lieber sah, wenn sie sich besondere Weiber hielten; denn der Zölibat war bereits allgemein eingeführt. Auch die Klöster, deren gelehrte Tätigkeit längst erloschen war, erfreuten sich keines guten Rufs. Schließlich fehlte es nicht an abenteuernden Damen, sogenannten "fahrenden Fräulein", die im Lande umherzogen.
Unter diesen Umständen war es denn nicht verwunderlich, dass die Ehe nicht immer ein Heiligtum blieb. Ja es war geradezu bei den Rittern bevorzugte Sitte, ihre Liebe verheirateten Frauen, sogenannten "Amîen", zu weihen, welchen dieses Verhältnis umso weniger zur Schande gereichte, als Gesetzbücher, wie der Sachsen- und Schwabenspiegel, es anerkannten. Dazu trug viel bei, dass verheiratete Ritter oft lange Zeit auf Kriegszügen (besonders Römer- und Kreuzzügen) abwesend waren, andere aber aus Armut oder Gewinnsucht sich nicht scheuten, die Kuppler ihrer Frauen zu sein. Ein solcher Liebhaber, "amîs" genannt, scheute keine Gefahren, zu seiner Geliebten zu gelangen, deren Mann ihn, wenn er ertappt wurde, töten durfte, und je mehr er solche Gefahren bestand, desto höher stieg sein Ruhm. Ritter dieser Art ritzten die Namen ihrer Angebeteten in Baumrinden, küssten ihre Fußstapfen, trugen Hemden, Ärmel, Tücher derselben am Leib, Helm oder Speer in Turnier und Schlacht, und ihre "Damen" waren stolz darauf, diese Gegenstände in zerfetztem oder blutigem Zustand wieder zu tragen. Aber sie verlangten auch oft von ihren Liebhabern aus Übermut Taten, die bald durch ihre Unausführbarkeit komisch, bald durch ihre Gefährlichkeit abschreckend waren. An gegenseitigen Geschenken zwischen den Liebenden fehlte es nicht; doch waren bei armen Rittern die Damen mehr die Gebenden, als die Empfangenden und freuten sich mehr über die Tapferkeit als der Freigebigkeit ihrer Verehrer. Diese sandten ihnen ihre besiegten Gegner zu und überließen es ihnen, von denselben ein Lösegeld zu verlangen. In solchen Verhältnissen hat wohl schwerlich ein Ritter größere oder auch nur so große Tollheiten verübt, als der solche selbst in Versen erzählende Ulrich von Lichtenstein; schwerlich auch sind manche von ihren Geliebten so entsetzlich genarrt und verhöhnt worden wie er.
Es ist kein schönes Zeugnis für das sittliche Gefühl der Zeit, dass die Dichter der Heldenromane stets für die Ehebrecherpaare Partei nehmen und auch die Personen ihrer Werke dieselbe Anschauung äußern lassen. Das in poetischer Hinsicht wundervolle Werk Gottfrieds von Straßburg, "Tristan und Isolde", ist eine fortlaufende Verherrlichung des Ehebruchs, und selbst so fromme Dichter wie Wolfram von Eschenbach erzählen verfänglich Sachen mit einer gewissen Schalkheit oder gar mit derben Späßen. Wir möchten gern glauben, dass die Dichter in diesem Punkt vieles übertrieben haben, wenn wir nicht annehmen müssten, dass sie wohl wussten, was ihre Leser und Zuhörer gern vernahmen.
Doch muss auf der anderen Seite auch zugestanden werden, dass gerade die ausgezeichnetsten Werke jener Zeit, mit Ausnahme des genannten Tristan, nämlich die Nibelungen, Gudrun und Parsifal, von unrechtmäßigen Verhältnissen frei sind und sowohl reine Liebe, als auch eheliche Treue mit wahren und herrlichen Farben schildern. Auch ist es Tatsache, dass, so nachsichtig man gegen freiwillige Einverständnisse war, alle Gewaltanwendung gegen Frauen streng verpönt war und mit dem Tode bestraft wurde. Dem entsprechend hatte Verführung eines Mädchens den Verlust des Lehens zur Folge, ebenso der entdeckte Ehebruch und die Entführung der Frau oder Tochter des Lehnsherrn.
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